Alles für Alle!
One Way or Another!
Aufruf zur Demonstration in Hamburg am 29. Oktober 2022
Dass die Preise steigen, stimmt nicht – sie steigen nicht, sie werden erhöht. Während wir kommende Mieterhöhungen und Heizkostenabschläge fürchten müssen, stehen in den Bilanzen vieler Unternehmen Rekordgewinne. Ein Ölkonzern wie zum Beispiel Exxon, der mit seinem Geschäft maßgeblich für die Klimakrise verantwortlich ist, vervierfachte jüngst seinen Quartalsgewinn – auf fast 18 Milliarden Euro. Zwar hat die Bundesregierung mittlerweile die beschissene Gasumlage zurückgenommen. Ihre Maßnahmen versprechen uns jedoch trotzdem keinen Schutz vor dem wirtschaftlichen Absturz: Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft zufolge profitiert das oberste 1 Prozent bis zu dreimal mehr von den sogenannten Entlastungspaketen als die unteren 25 Prozent. So schlimm das ist: Das alles ist kein Ausrutscher, kein Fehler im System. Es ist auch kein Naturgesetz und keine Verschwörung, mit der ein paar diabolische Echsenmenschen die Menschheit auspressen. Nein, es ist der ganz normale Lauf im Kapitalismus. Es wird Zeit, ihn endlich abzuschaffen!
Eine Studie der Sparkasse zeigt: Jedem Haushalt mit weniger als 3600 Euro Netto-Einkommen droht im kommenden Winter durch die Preisexplosion der Sturz unter das Existenzminimum. Zunehmend unbezahlbar wird damit für uns ein Alltag, auf den wir lange schon keine Lust mehr haben. In Schule, Ausbildung und Uni müssen wir büffeln, um den Rest unseres Lebens irgendwelchen Jobs zu opfern – mit denen am Ende doch bloß nur jemand anders reich wird. Dass alle es schaffen könnten, wenn man nur fleißig sei: Diese Lüge glaubt bis auf den FDP-Jünger aus dem Zahnarzt-Milieu und dem Bitcoin-Bro aus dem Internet niemand mehr. Im Kapitalismus ist schlichtweg nicht vorgesehen, dass es allen gut geht. Die Ausbeutung der einen ist die Bedingung des Reichtums der anderen.
Während uns der immer gleiche Alltag mit Lohnarbeit, Konsum und organisierter Vereinzelung in Burnout und Depression drängt, bekommen Menschen in anderen Breitengraden die Auswirkungen der Ausbeutung noch brachialer zu spüren. Die relative Freiheit und der relative Wohlstand hierzulande sind erraubt durch die (post-)koloniale Ausbeutung des Globalen Südens. In Jemen oder Rojava töten die Patronen deutscher Waffen. Die aufständischen Frauen in Iran werden mit westlicher Drohnentechnik überwacht. In Bangladesch nähen Kinderhände die Klamotten, die in Containern nach tausenden Kilometern Seeweg die Logistikzentren von Zalando & Co erreichen.
Für Waren und Kapital ist die Welt grenzenlos. Für Menschen, die hingegen vor Elend, Hunger, Krieg fliehen, endet sie an den Mauern der Europäischen Union – oder auf dem Grund des Mittelmeers. Wer es schafft, die militärisch abgeschirmten Grenzen zu überwinden, landet in Lagern. Und lernt einen rassistischen Normalzustand kennen, der sich mal als Nazigewalt, mal als Polizeischikane und mal als Gesetzesparagraf zeigt. Während Todesschwadrone des iranischen Regimes auf offener Straße Menschen totprügeln, locken deutsche Behörden – wie jüngst in Bayern geschehen – Asylsuchende in den Hinterhalt, um sie nach Teheran abzuschieben.
Geflohen wird auch vor den Folgen der ökologischen Krise, die Dürren, Fluten und Hungersnöte bereits jetzt alltäglich in Regionen des Globalen Südens verursacht. Statt jedoch darüber zu reden, dass bloß 100 Unternehmen mehr als zwei Drittel der industriellen CO₂-Emissionen erzeugen, wird die Verantwortung für die Klimakrise hierzulande gerne individualisiert. Und „Nachhaltigkeit“ zum lukrativen Marketinggag irgendwelcher Schrottprodukte: Wenn wir alle bloß biologisch abbaubare Haargummis kaufen (bekannt aus „Höhle der Löwen“), werden wir die Welt schon retten können? Schön wär‘s ja! In der aktuellen Energiekrise begegnet uns ebenfalls auf allen Kanälen die Individualisierung von Verantwortung, hinter der sich die strukturellen Ursachen verstecken können. So empfehlen uns Politiker wie Robert Habeck oder Winfried Kretschmann, doch bitte weniger zu duschen und stattdessen zum Waschlappen zu greifen. Freuen über so einen Mindfuck können sich die reichsten 10 Prozent, die so viel Energie verbrauchen wie fast die Hälfte der Gesellschaft. Nein, wir sitzen eben nicht im selben Boot.
Aus Eigeninteresse wollen Arbeitgeberverbände gerne von Interessensgegensätzen in dieser Gesellschaft ablenken: Mit Blick auf kommende Tarifauseinandersetzungen sollen wir die Füße stillhalten und auf höhere Lohnforderungen verzichten – die seien schlecht für den Standort. Doch den Gürtel enger schnallen sollen natürlich nur wir. DAX-Manager können sich in der aktuellen Krise über ein Lohnplus von 25 Prozent freuen.
It it what it is: Der Kapitalismus mit seinem Zwang, aus Kapital mehr Kapital machen zu müssen, macht auf der Suche nach Profit alles zur Ware. Zurück bleiben verbrannte Erde und vernutzte Menschen mit gebrochenen Körpern und kaputten Empfindungen, die sich durch den Dauerterror der Konkurrenz gar keine andere Welt jenseits des Kapitalismus mehr vorstellen können. Wie Zombies strömen aktuell in Italien, Schweden und anderen Ländern faschistische und rechtsradikale Parteien an die Macht. In Deutschland bringt sich die AfD in Stellung, sekundiert durch Leute wie Friedrich Merz, die mit Naziparolen wie „Sozialtourismus“ auf neue Wählerkreise hoffen. Die eigene Angst vor dem Abstieg und die Erniedrigungen, die wir alle in dieser Gesellschaft tagtäglich erleiden, führt eben nicht automatisch zu der Idee, dass alle ein besseres Leben verdienen. Wer dem Ruf der AfD auf die Straße folgt, findet: Wenn es mir schon nicht gut geht, soll es anderen doch bitte noch schlechter gehen. Nach oben buckeln, nach unten treten: Beflügelt durch die Coronakrise schält sich aktuell vor allem auf ostdeutschen Straßen eine faschistische Massenbewegung heraus, die wöchentlich bereits zehntausende Menschen mobilisiert. Längst beschränkt sich der Zulauf nicht mehr nur auf ein mittelständisches Boomer-Milieu oder Pegida-Rentner. Zunehmend werden rechte Krisenlösungen auch für Arbeiter*innen und Arbeitslose interessant. Immer schon in der Geschichte konnte sich der Faschismus als Reaktion auf soziale Probleme vermarkten, auf die er keine Antwort weiß: Vor den Demütigungen der Konkurrenzgesellschaft will man in den warmen Schoß der Nation fliehen und in eine herbeihalluzinierte Vergangenheit, in der noch „alles normal“ und vermeintlich alles besser war.
Zentral in den Reden von Donald Trump, Björn Höcke und Giorgia Meloni ist die Beschwörung einer angeblichen kommunistischen Bedrohung. Okay, bring it on: Lasst uns ihre Angst wahrzumachen! Streiten wir für eine klassenlose antiautoritäre Gesellschaft, in der wir gemeinsam entscheiden, wie wir leben und produzieren wollen. Diese solidarische Gesellschaft, in der wir alle haben, was wir brauchen und wollen, wird nicht vom Himmel fallen. Sie steht auch nicht in der Wahlkabine auf dem Stimmzettel. Wer das noch nicht vorher wusste, sieht nun bei den Grünen, wie sie seit ihrem Regierungseintritt Gas-Deals mit Diktaturen wie Aserbaidschan abschließen und Lützerath an RWE verschenkt haben.
Es reicht eben nicht, reformistische Forderungen an den Staat zu stellen – wer Veränderungen will, muss sie erkämpfen. Hoffnungen machen uns die vielen Bewegungen auf der ganzen Welt, die für eine Zukunft kämpfen, die uns der Kapitalismus nehmen wird, wenn wir ihm kein Ende bereiten. Ob die Klimabewegung, die in Kolumbien, Sudan oder Deutschland fossile Infrastruktur blockiert und sabotiert. Ob die feministische Bewegung hierzulande oder etwa in Chile oder in Kurdistan und Iran, wo todesmutige Frauen auf den brennenden Autos der Sittenwächter des Patriarchats tanzen. Ob Eisenbahner in Belarus, die mit Streik und Sabotage den Waffennachschub für Putins imperialistischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verzögern. Ob die zahlreichen Bewegungen für Enteignung und Vergesellschaftung, die zentrale Bereiche unseres Lebens wie Wohnen und Energie dem Kapital entreißen wollen, damit wir gemeinsam darüber verfügen können. Immer geht es darum, eine neue Welt im Hier und jetzt zu gewinnen und die Zerstörung und Vernutzung des Kapitalismus durch neue solidarische Beziehungsweisen zu ersetzen.
Dafür organisieren wir uns: Im Betrieb, im sozialen Zentrum, im Stadtteil, auf dem Amt, in der Schule und an der Uni. Klar ist: Zahlen sie uns keinen höheren Lohn, dann streiken wir eben. Erhöhen sie unsere Miete, dann besetzen wir eben. Erhöhen sie die Preise, dann klauen wir eben im Supermarkt oder gehen plündern.
ONE WAY OR ANOTHER: ALLES FÜR ALLE!
Hamburger Krisen-Demo: 29. Oktober 2022 / 13 Uhr / Berliner Tor
https://solidarischausderkrise.noblogs.org/