Goodbye Deutschland! Den rechten Aufmarsch am 12.09. angreifen!

An dieser Stelle nochmal eine etwas förmlichere Einladung, sich dem faschistoiden Trubel am 12. September (dessen polizeiliches Verbot vermutlich keinen Bestand haben wird) nicht unter dem Motto »Hamburg bekennt Farbe« (Olaf Scholz & Co.), sondern unter dem Motto »Goodbye Deutschland« (alle coolen Kids) entgegenzustellen…

WAS DER FALL IST…
Am 12. September möchte anlässlich eines selbst-ausgerufenen »Tags der deutschen Patrioten« eine Melange aus Rechtspopulismus und offenen Neonazismus in Hamburg aufmarschieren: Rechte Fußball-Hools, NPD-Funktionäre und besorgte WutbürgerInnen machen sich Luft und tragen ihre autoritäre und rassistische Wut auf die Straße, um an die Erfolge vergangener –gesa und –gida-Massenphänomene anzuknüpfen.
Einen zusätzlichen Schub kann sich diese rassistische Propaganda durch den aktuellen Stand des deutschen Massenbewusstseins und seiner brutalen Äußerungen versprechen: Zwischen Januar und August 2015 wurde nahezu täglich in der Bundesrepublik Deutschland ein Anschlag auf ein Flüchtlingsheim verübt. Unzählige Talkshows und Kommentare debattieren derzeit die »Überforderung unseres Landes« durch einen »Massenzustrom« Geflüchteter. Die Nation teilt sich seitdem vor allem in zwei Lager: Während die einen, wie Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank, »grün-human« dagegen vorgehen wollen – schnellere Asylverfahren und Abschiebungen – setzen die anderen, Bürgerwehren in Heidenau, Nauen, Tröglitz, Schneeberg oder Hellersdorf, nicht erst seit gestern auf Feuer und Flamme gegen diejenigen Menschen, die ihrem Elend in anderen Weltteilen nur unter Lebensgefahr entkommen konnten.
Gerade den letzteren Flügel aus BrandstifterInnen und »Nein zum Heim«-Initiativen möchte der »Tag der deutschen Patrioten« am 12.09. auf der Straße versammeln. Aber auch die erste Fraktion des staatstragend-sozialdemokratischen Deutschlands wird am 12.09. auf der Straße sein und unter Schirmherrschaft von Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz den Ruf eines »weltoffenen Hamburgs« gegen das »Pack« der Nazi-Hools zu verteidigen suchen. Was also tun an diesem Tag?
Eine angemessene linke Antwort auf den »Tag der deutschen Patrioten« muss mit der Frage beginnen, woher seine faschistoide und rassistische Denke überhaupt kommt.

»HINTER DEM FASCHISMUS STEHEN DIE FASCHISTEN!« – ÜBER KAPITALISMUS UND FASCHISMUS
Für den seligen Marxismus-Leninismus sah die Sache relativ einfach aus: Organisierten sich die ArbeiterInnen einmal tatkräftig für Volksgemeinschaft & Rasse statt für Klassenkampf & internationale Solidarität, so brauchte man den vermeintlich Abtrünnigen bloß ein »Hinter dem Faschismus steht das Kapital!« entgegenschmettern. Hatte doch der eigene ML-Dogmatismus es als geschichtsphilosophischen Automatismus prophezeit, dass die lohnarbeitende Klasse durch ihre Stellung im Ausbeutungsprozess einen antikapitalistischen, gar emanzipatorischen Bewusstseinsvorsprung habe. Von diesem falschen Glauben ausgehend, war es dementsprechend die KapitalistInnenklasse, der ideelle Gesamtbösewicht der ML-Orthodoxie, welche den Faschismus für Kapitalverwertung und Herrschaftssicherung ausgeheckt und an die Macht gebracht habe. So wurde dann auch der Nationalsozialismus als »die offene, terroristische Diktatur der reaktionärsten, chauvinistischsten, am meisten imperialistischen Elemente des Finanzkapitals« bestimmt. Um es mit den Worten von Josef Stalins Genossen Georgi Dimitrow zu sagen.
Diese Analyse ist nicht einfach bloß falsch – sie hat sich als historisch und politisch äußerst fatal erwiesen. Wer das blutige – völkische, rassistische, antisemitische – Bewusstsein von Millionen ArbeiterInnen zu einem bloßen Produkt von bourgeoiser Manipulation oder Bestechung erklärt, braucht es an sich gar nicht weiter zu analysieren, zu kritisieren und in letzter Konsequenz: überhaupt nicht ernstnehmen. Wer so denkt, wird ihm auch praktisch nichts entgegensetzen können.
Um es kurz zu machen: Hinter dem Faschismus stehen überzeugte FaschistInnen – mithin also eine faschistische Ideologie, nicht das Kapital.
Heißt das dann aber auch, dass Max Horkheimers berühmtes Diktum »Wer vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen!« auf den Müllhaufen der Geschichte gehört? Nein, auf keinen Fall. Denn dieses Diktum gewinnt erst seine Wahrheit, wenn man das Verhältnis von Faschismus und Kapitalismus richtig bestimmt:
Nicht das Profitstreben von KapitalistInnen, sondern die Ideologien, welche der bürgerlichen Gesellschaft entspringen, bringen den Faschismus hervor. Es ist dies in erster Linie die politische Gemeinschaftsideologie des kapitalistischen Hauens und Stechens – der Nationalismus.

AUF DIE FRAGE: WAS HEIßT »GOODBYE DEUTSCHLAND«?
Die antinationale Parole »Goodbye Deutschland« für den Kampf gegen faschistoide Hools auszugeben und sie inhaltlich zu füllen, heißt nicht nur, gegen die paar verbliebenen Stalino-Antiimps etwas goldrichtig gemacht zu haben. Das eigentliche Problem in der Diskussion um den 12.09. sind die nämlich eh nicht, viel zu gering ist mittlerweile ihre Diskursmacht und viel zu groß die von ganz anderen:
Es ist das bürgerlich-»mittige«, »bessere« Deutschland, das den engen Zusammenhang des eigenen (deutschen) Nationalismus mit der Fratze von HoGeSa-Mobs öffentlichkeitswirksam durchstreichen will. Auch am 12.09. wird dieses Deutschland sich öffentlich versammeln und mit Lichterketten und »Gesicht zeigen für ein weltoffenes Deutschland« versuchen, das Ansehen der Berliner Republik im In- und Ausland gegen den »Tag der deutschen Patrioten« zu wahren. Dieses Anliegen gilt es aus linksradikaler Perspektive mit der nötigen Vehemenz zu sabotieren – sonst ist man ganz schön schnell nichts weiter als der militante Arm des »besseren Deutschlands«. Genau diesem Deutschland eines Sigmar Gabriels, der jüngst Heidenauer WutbürgerInnen als »undeutsch« brandmarkte, muss »Goodbye Deutschland!« ebenso gelten, wie dem aufmarschierenden völkischen Racket.
Und das aus Gründen: Das augenfälligste am »Tag der deutschen Patrioten« ist zwar seine Hetze gegen Geflüchtete und »morgenländische Parallelgesellschaften«, gegen Rothschilds und BRD-GmbH – betroffen sein von den Konsequenzen dieses ideologischen Wahns werden also wieder in erster Linie Geflüchtete, Nicht-Deutsche, Muslime, Juden und Jüdinnen.
Adressat des ganzen Zirkus ist allerdings jemand anderes, nämlich die deutsche Politik. Das gilt es für eine politische Kritik des faschistoiden Trubels zur Kenntnis zu nehmen. Mit dem selbsternannten »Bürgerprotest« am 12.09. soll der »Volksverräterin« Merkel und den anderen Charaktermasken der Berliner Republik auf rotzige Art und Weise vorgeführt werden, dass sie alle anständigen Deutschen mit »Multi-Kulti«, einer »ungezügelten Aufnahme junger Männer vom Balkan oder aus Afrika« und einer »Gender-Ideologie« verrate sowie über NATO und EU einen Ausverkauf nationaler Interessen betreiben würden.
Diese nationalistische Haltung, die gegenüber der staatlichen Führung einen Anspruch auf vorzugsweise Behandlung als Mitglied des Stammes der Deutschen erhebt, kommt nicht von ungefähr. Sie ist radikalisiertes Produkt der millionenfach verbreiteten Vorstellung, alle deutschen StaatsbürgerInnen seien durch eine gemeinsame Kultur (oder wahlweise Blut) sowie eine schicksalhafte Geschichte zu einer harmonischen, moralisch edlen Gemeinschaft geformt worden. Das gesamte kapitalistische Hauen und Stechen zwischen ArbeiterInnen und KapitalistInnen, MieterInnen und VermieterInnen sowie KonkurentInnen um Arbeitsplätze und Markterfolg kommt in diesem falschen Bewusstsein nicht mehr vor. Es existieren von diesem Standpunkt aus nur noch Deutsche, die edlen Geistes handeln und zusammenstehen – oder beides zumindest sollten.
Es ist dann folgerichtig ein abgrundtiefer Verrat des Staats an dieser vermeintlich harmonischen Gemeinschaft, wenn eine deutsche Führung geflüchtete BürgerInnen fremder Staaten – durch Kultur und Geschichte vermeintlich »Andersartige« – auf dem Territorium der BRD auch nur in Zelte einpfercht und mit Lebensmittelgutscheinen abspeist. »Deutschland den Deutschen« ist der verzweifelte Wunsch von NationalistInnen, dass die Zwangsgemeinschaft der Nation sich ihnen gegenüber dankbar und gut darstelle – und zum Beweis dessen alle anderen, besonders Geflüchtete, mit der nötigen Härte abweise und behandle.
Weil Hässlichkeiten wie der »Tag der deutschen Patrioten« also ihren Ursprung im bürgerlichen Nationalismus der »Mitte« haben, muss »Goodbye Deutschland« eine Kampfansage gegen beide gleichermaßen sein.
Wer nicht nur handgreifliche Defensiv-Gefechte gegen Nazi-Hools führen möchte, sondern den Wunsch hegt, dass solche widerlichen Erscheinungen von dieser Erde verschwinden, muss über einen konsequenten Antifaschismus hinaus auch Nationalismus und Kapitalismus angreifen – theoretisch wie praktisch, in einer Organisierung gegen sie und ihre alltäglichen Zumutungen. Gegen all die Widerwärtigkeiten des Bestehenden treten wir ein für die staaten- und klassenlose Weltgesellschaft, den Kommunismus.
Den rechten Aufmarsch angreifen! Nie wieder Deutschland!

Gruppe für den organisierten Widerspruch | Hamburg, September 2015

+ + VERANSTALTUNGSHINWEISE ++
Tag der deutschen Patrioten angreifen!
11.09.15 Vorabenddemo – Sternschanze – 19 Uhr
11.09.15 Letzte Infos – Rote Flora – 20:30 Uhr
12.09.15 Antifa Action! Alle Infos: http://goodbyedeutschland.blogsport.eu/ (Ab 19 Uhr ist die Rote Flora für einen Ausklang des Tags geöffnet)

Heute schon an morgen denken:
HoGeSa-Aufmarsch in Köln verhindern!
07.10.15 Infos zum HoGeSa-Aufmarsch in Köln – Rote Flora – 20 Uhr
24.10.15 Antirassistische Demonstration – Köln
25.10.15 HoGeSa Aufmarsch verhindern – Köln

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