Anmerkung anlässlich des 30. Jahrestages der Giftgasangriffe auf Halabdscha
Am 16.03.2018 jährt sich der Giftgasangriff auf Halabdscha zum dreißigsten Mal. Halabdscha liegt im Osten Südkurdistans und ist heute, wie damals eine vornehmlich von Kurd*innen bewohnte Stadt. Im Zuge des ersten Golfkriegs beteiligten sich die Peshmerga der PUK (Patriotische Union Kurdistans) auf Seiten des Irans an den Kämpfen gegen die Truppen Saddam Husseins. Im März 1988 konnten mehrere kurdische Dörfer im Grenzgebiet zum Iran durch kurdisch-iranische Einheiten besetzt werden, darunter auch Halabdscha. Die Reaktion der irakischen Streitkräfte waren massive Bombardements durch die Luftwaffe, zunächst mit regulären Sprengkörpern, anschließend mit Giftgasen, wie Tabun, Sarin und dem Nervengas VX. Bei diesen Angriffen kam es zu mindesten 5.000 Todesopfern und etlichen Verletzten. Da die iranischen Soldaten durch ihre Schutzkleidung zu weiten Teilen von den Folgen der Gase verschont blieben, traf es in erster Linie die Zivilbevölkerung. Der militärstrategische Nutzen dieser Angriffe hielt sich also in Grenzen. Im Vordergrund stand die Rache an den Kurd*innen für ihre Kollaboration mit dem Iran.
Viel mehr Sinn macht es somit, die Angriffe von Halabdscha nicht als Teil des Iran-Irak-kriegs einzuordnen, sondern sie im Kontext der Anfal-Operation zu begreifen, welche 1988 und 1989 ihren Höhepunkt fand. Dabei handelte es sich um den Genozid durch das Baath-Regime unter der Führung von Saddam Hussein an der kurdischen Bevölkerung im Irak. Bis zu 180.000 Menschen fielen ihr zum Opfer, unzählige weitere wurden verfolgt und vertrieben.
Die Giftgase, welche in Halabdscha, aber auch in Sardascht und anderen Orten zum Einsatz kamen, wurden zu großen Teilen in einer Fabrik in der irakischen Stadt Samarra produziert, welche vorgeblich zur Pestizidherstellung angelegt worden war. Die Technologie dieser Fabrik und die Chemikalien stammten weitgehend aus deutscher Produktion und ihre Auslieferung wurde unter dem Wissen ihres militärischen Potenzials von der deutschen Regierung genehmigt.
All das liegt nun 30 Jahre zurück, doch was wir heute In Nord- und Westkurdistan beobachten können, weißt erschreckend viele Parallelen auf. Das türkische Vorgehen gegen die Kurdische Bevölkerung in den östlichen Regionen der Türkei, mit den Zerstörungen ganzer Dörfer und den Massenmorden an Zivilist*innen, wie wir sie seit Sommer 2015 wieder vermehrt beobachten können, weisen erneut genozidale Züge auf, und auch in Afrin, dem westlichsten kurdischen Kanton in Nordsyrien, steht aktuell ein Massaker an der Zivilbevölkerung durch das türkische Militär und ihre jihadistischen Verbündeten, welche teilweise noch vor kurzem auf Seiten des IS gekämpft haben, kurz bevor.
Auf Seiten der deutschen Politik ist zu all dem nur Schweigen zu vernehmen. Gehandelt aber wird: Was früher Chemikalien und Technologie waren, sind heute Panzer und Munition. Allein seit dem Einmarsch der Türkei in Afrin wurden deutsche Rüstungsexporte im Wert von 4,4 Mio Euro an die Türkei genehmigt. Dass bei der türkischen Offensive in Nordsyrien Völkerrechte völlig unbeachtet bleiben, scheint schon lange niemanden mehr zu interessieren. Und wenn Erdogan nun ankündigt, seinen Feldzug auch auf die Kurd*innen im westlichen Nordirak auszudehnen, nachdem er Afrin in Schutt und Asche gelegt hat, kann er sich sicher sein, dass weder seine NATO-Verbündeten, noch sonst irgendwer ihm widersprechen werden.
Die deutsche Kollaboration mit dem Genozid an den Kurd*innen scheint also bereits Tradition zu haben. Auch wenn nun Überlebende von Halabdscha und Angehörige der Opfer von damals deutsche Firmen auf Grund ihrer Mitschuld auf Ausgleichszahlungen verklagen[1], ist von Deutschen bei der Aufarbeitung ihrer Vergangenheit leider nicht viel zu erwarten.
[1] http://www.rudaw.net/english/kurdistan/140320187