AUFRUF
Kein Zweifel: Der Lack ist ab. Hätte es noch einen Beweis gebraucht, dass der deutsche Nationalismus seine angebliche „Zivilisierung“ durch die 68er und den rot- grünen „Aufstand der Anständigen“ unbeschadet überstanden hat – die vor den Augen der Weltöffentlichkeit durchgezogene Erpressung der linken Regierung in Griechenland samt einer beispiellosen Hetzkampagne der „Qualitätspresse“ haben ihn erbracht. Die Mehrheit in diesem Land ist sich einig: Der Versuch einer Stabilisierung des europäischen Kapitalismus soll unter deutschem Kommando und zu Lasten der Schwächsten geschehen, hier und erst Recht anderswo. Die brutale Flüchtlingsabwehr im Mittelmeer und die soziale Zerstörung Südeuropas durch das Spardiktat der Troika sind nur zwei Folgen.
Für den Griff des Standortes Deutschland nach der Poleposition auf dem Weltmarkt geht die Elite über Leichen und eine ganz große Koalition stimmt ihnen zu. Zwar hat der Einzelne auch hier immer weniger vom Erfolg des deutschen Kapitals, doch die nationalistische Rhetorik samt dem kaputten Stolz darauf, mit dem Exportweltmeister wenigstens den Pass zu teilen, erreicht viele Menschen. Währenddessen will man von den unbezahlten Nazischulden nichts mehr wissen und im ganzen Land brennen wieder Flüchtlingsheime. Die Rückkehr des „hässlichen Deutschen“ konterkariert das Bild des „sanften Hegemons“ in dessen Schatten sich das autoritäre Krisenmanagement in Europa vollzogen hat. Das führt grenzübergreifend inzwischen zu Widerstand, selbst bei den bisherigen europäischen Partnern.
Wie gerufen kommt da der 25. Jahrestag der Wiedervereinigung, an dem der deutsche Staat sich unter dem unverschämten Motto „Grenzen überwinden“ bei den bundesweiten Feiern in Frankfurt/Main mit der Erinnerung an die „friedliche Revolution“ von 1989 als zivilisatorische Kraft inszenieren will.
Neben den „altvorderen Veteranen“ der deutschen „Einheit“ ist die herrschende Elite geladen: Jean-Claude Juncker, Angela Merkel, Joachim Gauck, usw.. Sie alle werden kommen, um das „Zusammenwachsen Europas“ zu begießen.
Gleichzeitig ist in ganz Europa, aber besonders auch in Deutschland, das Getöse sowohl an den Stammtischen als auch in den Parlamenten groß – und die Losung lautet: Grenzen dicht. Dieser nationalistisch-rassistisch motivierte Ruf nach „besserer“ Grenzabsicherung macht deutlich, dass das gewählte Motto der Einheitsfeierlichkeiten an Zynismus nicht zu überbieten ist: Jährlich sterben unzählige Menschen durch das europäischen Grenzregime. Bewegungsfreiheit gilt – ideologisch wie praktisch – nur dann, wenn es sich lohnt.
Eine Million BesucherInnen werden zwischen Paulskirche und Mainufer erwartet um zwischen Ständen der Grenzschutzagentur Frontex, der Bundeswehr, des Jobcenters und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie sich zu ihrem Deutschsein zu beglückwünschen. Diese nationale Inszenierung hat einerseits die Funktion über die Brutalität deutscher Politik in Europa hinweg zu täuschen. Andererseits soll entgegen aller realen Widersprüche das „deutsche Nationalgefühl“ gestärkt werden. Ein Mal mehr wird eine nationale Schicksalsgemeinschaft heraufbeschworen, deren Wohlergehen maßgeblich vom Erfolg des deutschen Standortes auf dem Weltmarkt abhängt. Dass dieser „Erfolg“ nur auf Kosten anderer geschaffen werden kann, weiß man in Griechenland sehr genau.
Aber: Dieser Versuch der autoritären Fratze des deutschen Europas am 3. Oktober wieder die Maske von Weltoffenheit und Demokratie aufzusetzen, könnte scheitern – wenn wir dafür sorgen. Deswegen rufen wir dazu auf, die nationalistische Show am 3. Oktober einen Event antikapitalistischer Kritik entgegen zu setzen.
Denn Staat, Nation und Kapital sind zwar vieles, aber ganz sicher kein Grund zu feiern!
VERANSTALTUNGEN
2.OKTOBER: DEMO + KUNDGEBUNG – 19:00 – Kaisersack – Auf die Straße gegen die „Einheitsfeierlichkeiten“
3.OKTOBER: AKTIONEN Keine Party ohne uns! Zusammen die nationalistische Show stören! Dezentrale und kreative Aktionen gegen das Einheitsfest.
3.OKTOBER: DISKUSSION – Nie wieder Deutschland!- 20:00 – DGB Haus – Großer Saal mit Thomas Ebermann & Jutta Ditfurth, Gewerkschaftshaus, Wilhelm-Leuschner Str. 69
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