24-11-2016 – 26-11-2016
Alle Infos und Referent*innen auf: techno.umsganze.org (Kongress Website)
Zwei Dinge sind zur Gewissheit geworden: Erstens ist Anfang der 1970er Jahre mit der ‚Erschöpfung‘ des Fordismus und dem Aufstieg von Finanzkapitalismus und Neoliberalismus sowie der mikroelektronischen Revolution „etwas passiert“. Anscheinend ist ein Ereignis im starken Sinne eingetreten, d.h. ein grundlegender gesellschaftlicher Umbruch, wenn auch _innerhalb_ des Kapitalismus. Es ist ein Umbruch, dessen Umfang noch unklar ist und der daher zunächst durch den Platzhalter eines „Post-“ markiert wurde: Post-Fordismus, Post-Demokratie, Post-Moderne. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe positiver Begriffe: Digitalisierung, Industrie 4.0., Wissenskapitalismus. Die Bedeutung dieses Umbruchs bleibt aber umstritten. Er hat beides mit sich gebracht, neue Formen der Herrschaft wie des Widerstandes, der Produktivkräfte wie der Krisen – und damit der Krisenpolitik. Mehr noch, seit der Finanzkrise von 2007 und dann noch einmal 2011ff. mit der ‚Rückkehr des Politischen‘ im Zuge der Besetzungen der Plätze rund um den Globus gibt es zweitens sogar das Gefühl, dass erneut ein Umbruch ansteht, auch wenn sich die daran geknüpften Hoffnung eines Aufbruch zerschlagen haben. Jedenfalls gibt es eine anhaltende Krisenanfälligkeit des Finanzkapitalismus und eine Delegitimierung des Neoliberalismus. Aber beide gehen unvermindert weiter, wir befinden uns in einer eigentümlichen Situation des rasenden Stillstands.
Es gibt einen Begriff, der sowohl die Erschöpfung des klassischen Industriezeitalters als auch der Aufstieg neuer Formen in Ökonomie und Politik berührt. Es ist der Begriff der Technik. Technik ist umfassend zu verstehen. Es gibt neue Techniken des Ökonomischen (Finanzmarktkapitalismus, Derivate etc.) mit neuen Formen der Arbeit. Es gibt neue Techniken des Politischen ( „Techniken des Selbst“, Postdemokratie, Austeritätspolitik), auch aufseiten der radikalen Linken (vor allem in der Anrufung des Politischen selbst: nicht-repräsentativer Formen des Gemeinsamen, die Besetzung der Plätze). Und es gibt eine neue Technik im engen Sinne, nämlich die universelle Rechenmaschine Computer, sowie, in ihrer Folge, die Digitalisierung der Welt, mit ihren Wirkungen für das genannte Ökonomische und Politische, für das Soziale und das Kulturelle, das Subjekt und die Geschlechterverhältnisse. Kurz: die Gesellschaft stellt sich nicht mehr nach dem Bild der Dampfmaschine her, aber auch nicht mehr nach dem Bild des Fließbandes, sondern nach dem Bild der universellen Rechenmaschine, der Datenverarbeitung und der Vernetzung.
Die Digitalisierung scheint uns ein dominantes Moment der derzeitigen Veränderungen darzustellen. Sie ermöglicht neue Automatisierungsschübe und ist als Informationstechnologie zugleich eine Metatechnologie, die die Rekombination vorhandener Technologien zu neuen technologischen Systemen erlaubt. Mit „dem Digitalen“ ist die gesamte Technologie des Digitalen gemeint. Entscheidend ist, das sie nicht neutral ist. Die Technik ist etwas Gesellschaftliches, und das gilt ‚analog‘ für das Digitale. Unser Ausgangspunkt muss daher zunächst dessen kritische Bestimmung sein. Diese Kritik muss nicht nur diejenige radikale Kritik, die es an der kapitalistischen Produktionsweise überhaupt zu formulieren gilt, am Digitalen genauer ausweisen. Vielmehr ist zu zeigen, dass die kapitalistische Produktionsweise selbst eine Technik ist, eine Technik der Freisetzung der Produktivkraft und ihrer Steigerung, eine Technik der Produktion und der Verwertung, eine Technik der Ausbeutung, der Herrschaft und der Aneignung.
Die Reproduktion des Kapitalismus, und vor allem die Aktualisierung und Erweiterung seiner Reproduktion durch all die Bereiche, die zu dieser Reproduktion dazugehören, vollzieht sich durch die Technologien des Digitalen. Mit ihr tauchen dieselben gegensätzlichen Positionen innerhalb der Kapitalismuskritik wieder auf: Müssen wir die Technik von den kapitalistischen Verhältnissen und Zwecken ihrer Anwendung befreien, um ihr Potenzial für die Verwirklichung einer andere Gesellschaft zu nutzen? Oder ist Technik an sich schon eine Form der Herrschaft und muss deswegen zerstört werden? Sind wir, weil sich die kapitalistische Gesellschaft durch die neue Technologien rekonstituiert und erweitert reproduziert, dazu verdammt, auch unsere Kritiken lediglich zu aktualisieren? Auch um diesen Wiederholungszwang muss es auf dem Kongress gehen.