Kantine3000 feat. Marcus Staiger: »Die Revolution wird ausdiskutiert. Reportage aus Rojava«

FILE - In this Sunday, March. 3, 2013 file photo, Kurdish female members of the Popular Protection Units stand guard at a check point near the northeastern city of Qamishli, Syria. Syria’s Kurds have dramatically strengthened their hold on the far northeast reaches of the country, carving out territory as they drive out Islamic militant fighters allied to the rebellion and declaring their own civil administration in areas under their control this week amid the chaos of the civil war. The moves could be a first step toward creating an autonomous region similar to one Kurds run across the border as virtually a separate country within Iraq. But the Kurds’ drive has angered rebels fighting to topple Syrian President Bashar Assad. It even worries some Kurds, who suspect the main faction leading the fighting and the new administration is actually acting on behalf of Assad to undermine the rebellion.(AP Photo/Manu Brabo, File)

21. SEPTEMBER | 19 UHR | ROTE FLORA

Marcus Staiger wurde 1971 in Süddeutschland geboren und zog nach dem Abitur nach Berlin. Mit Gelegenheitsjobs hielt er sich über Wasser, arbeitet als Koch und Journalist, begann ein VWL- und Philosophie-Studium und gründete 1998 das Rap-Label Royalbunker. Mit diesem beeinflusste er nachhaltig die deutsche Hip-Hop Szene, entdeckte zahlreiche wichtige Rap-Künstler und Gruppen bevor er im Jahr 2008 für drei Jahre die Chefredaktion der Internetplattform rap.de übernahm.
Seit 2011 arbeitet Staiger als Industriekletterer, freier Autor und Moderator für Medien wie SPEX, Berliner Zeitung, FAZ, JUICE, vice, noisey, vice.TV und 2014 erschien sein Roman „Die Hoffnung ist ein Hundesohn“. Zurzeit schreibt er an seinem zweiten Buch, einer Reportage-Erzählung über eine Reise nach Rojava in Nordsyrien, wo gerade eines der spannendsten gesellschaftlichen Projekte der Moderne stattfindet.
Seit ungefähr drei Jahren ist Marcus Staiger auch in antirassistischen Zusammenhängen aktiv und beschäftigt sich hauptsächlich mit den politischen Rahmenbedingungen, die Menschen zu Geflüchteten machen und unter denen diese dann leben müssen. Er sieht einen direkten Zusammenhang zwischen den Verhältnissen, die auf der einen Seite die Menschen zu Flucht und Migration zwingen und den Verhältnissen, unter denen diese Menschen dann wiederum hierzulande zu leiden haben. Unter dem Motto „Solidarität muss politisch werden“, versucht er im Rahmen seiner Arbeit beim „Bündnis für bedingungsloses Bleiberecht“ aus Berlin, in Zusammenarbeit mit Betroffenen, politische Inhalte in die praktische Arbeit mit Geflüchteten einzubringen. Denn die Gesetze und wirtschaftlichen Regeln unter denen die Welt zu leiden hat, werden zu großen Teilen in den Zentren der westlichen Welt gemacht.
Im Oktober 2015 reiste Marcus Staiger nach Rojava in Nordsyrien, weil er sich mit eigenen Augen von der gelebten Utopie überzeugen wollte, von der in westeuropäischen linken Kreisen so gerne erzählt und geschwärmt wird. Statt des Paradieses auf Erden erlebte er allerdings eine Gesellschaft im Umbruch und Widerspruch. Eine Gesellschaft, die sich im permanenten Diskurs befindet, darüber wie sie leben will. Abgeschnitten von der Hilfe der westlichen Welt, wirtschaftlich geschwächt durch mehrere Embargos, verwickelt in einen Krieg mit dem sogenannten Islamischen Staat, versuchen die Aktivistinnen und Aktivisten der Kurdischen Freiheitsbewegung, die Ideen einer ökologischen basisdemokratischen und geschlechterbefreiten Gesellschaftsordnung voran zu bringen. Marcus sprach mit Vertreterinnen und Vertretern der Justizakademie und der Frauenrats des Kantons Cizre. Er sprach mit Ärzten und Freiwilligen, die ihre Heimat in Westeuropa verlassen haben, um sich dem Projekt Rojava anzuschließen. Er sprach mit Künstlern aus Holland, die ihre ganz eigenen Erfahrungen in Sachen Basisdemokratie machen durften und mit Vertreterinnen der MLKP, die eine wichtige Rolle in der Organisation der Internationalen Brigaden in Rojava spielen. Er ging der Frage nach, ob die Entwicklung in Rojava tatsächlich als Revolution zu bewerten ist und was die Kurdische Freiheitsbewegung unter der Führung der PKK so erfolgreich gemacht hat, dass sie nun tatsächlich die Grundlagen für eine staatenähnliche Verwaltungseinheit schaffen konnten, eine Einheit, die aber eben kein Staat und keine Gewalt sein will.
Mit einer Vielzahl von kleinen Alltagsbeschreibungen, Auszügen aus Interviews und Gesprächen, sowie einer Unmenge an Fotos versucht Marcus an diesem Abend einen Eindruck von seinen Erlebnissen und Erfahrungen zu vermitteln und einige dieser Fragen zu beantworten. Gemeinsam im Gespräch, lassen sich offene Zweifel und Widersprüche vielleicht klären, während sich neue Fragen ergeben werden. Insofern stellt auch dieser Vortrag nur ein weiteres Gesprächsangebot dar, auf der Suche nach einer Alternative zu dem, was ist. Die Revolution wird ausdiskutiert. Venceremos!

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