»Zwischen ‚Einsicht in die Notwendigkeit‘ und ‚kritischem Pessimismus‘: Das Verhältnis von Theorie zur Praxis gesellschaftlicher Emanzipation« | Mit Norbert Trenkle

30. Oktober | 19 Uhr | Rote Flora:
Im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Bullenwagen klauen und Adorno rezitieren? Zum Verhältnis von Theorie und Praxis«.
Im traditionellen Marxismus hatte Theorie primär die Aufgabe, den
vermeintlich »objektiven Gang« des historischen Prozesses zu
entschlüsseln und daraus Vorgaben für das revolutionäre Handeln
abzuleiten. Ähnlich funktionalistisch verkürzt war das Verhältnis
zur Praxis in der berühmten »Klassenanalyse«, die immer schon das
historische Subjekt der Revolution oder Emanzipation voraussetzte
und daher vor allem taktische und strategische Fragen wälzte.
Dahinter stand die gemeinsame Vorstellung, der Kapitalismus bringe
in der einen oder anderen Weise aus sich selbst heraus die
Bedingungen seiner eigenen Aufhebung hervor.

Mit dem Schwinden des Fortschrittsoptimismus, angesichts des Grauens
von Auschwitz und des Stalinismus, gewann Theorie als Kritik zwar
wieder ihren eigenen Standort jenseits instrumenteller Vernunft
zurück. Verbunden damit war jedoch auch eine pessimistische
Grundhaltung: die inneren Widersprüche des Kapitalismus galten als
sistiert, seine emanzipatorische Aufhebung war kaum noch denkbar.

Seit der Entstehung der »Neuen Linken« im Gefolge von 1968 wurden
diese beiden Formen des Theorie-Praxis-Bezuges endlos hin- und
hergewälzt, ohne den Gegensatz je auflösen zu können. Das aber
verweist darauf, dass die historische Konstellation, der diese
beiden Positionen entstammen, zu Ende gegangen ist. Weder bereitet
der Kapitalismus in seiner historischen Dynamik den Weg in eine
befreite Gesellschaft, noch sind seine inneren Widersprüche zum
Erliegen gekommen. Doch deren Entfaltung führt nicht an die Schwelle
der Emanzipation, sondern an den Rand der Selbstzerstörung.

Vor diesem Hintergrund muss die Frage nach dem Verhältnis von
kritischer Theorie und emanzipatorischer Praxis neu gestellt werden.
»Kritik durch Darstellung« (Marx) heißt heute wesentlich, den
fundamentalen warengesellschaftlichen Krisenprozess in seinem
Verlauf zu entschlüsseln, um ex negativo Orientierungspunkte für die
mögliche gesellschaftliche Emanzipation zu finden.

Diskussionsveranstaltung mit Norbert Trenkle (Redakteur der Zeitschrift Krisis – Kritik der Warengesellschaft).

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