20. Januar | 19 Uhr | Rote Flora:
Das Fachpublikum und andere Strauchdiebe sind sich sicher: Der Schriftsteller Jan Off ist der Quentin Tarantino zeitgenössischer Pulp-Literatur. Die Storylines seiner preisgekrönten Kurzgeschichten und Romane, die Genre-Großmeister wie Charles Bukowski, Jörg Fauser oder Norman Mailer zu Epigonen degradieren (Angabe ohne Gewähr), sind dabei ähnlich bunt wie die traditionell farbbeutelverzierte Fassade des SPD-Parteibüros in St. Pauli. Wortgewaltig und mit erzählerischer Finesse erweckt Jan Off Charaktere abseitiger Milieus zum Leben, deren Meldeadresse die Gosse ist: In seinen Geschichten stehen Trinkhallenphilosophen, psychotische Punks, straßenschlachterprobte Jungautonome und klebstoffschnüffelnde Kleinkriminelle ähnlich selbstverständlich im Mittelpunkt wie der Zahnarztsohn aus Blankenese beim Kreisschubsen auf Billstedter Schulhöfen.
Lebte Jan Off in der Vergangenheit bereits in sämtlichen deutschen Metropolen, die im Diercke-Atlas verzeichnet sind (Braunschweig, Darmstadt), ist er seit einigen Jahren in Hamburg ansässig. In jener verkommenen Stadt also, in der es zum innenpolitischen Brauchtum gehört, Junkies, Obdachlose und gegenkulturelle Störfaktoren regelmäßig aus dem städtischen Kerngebiet zu verdrängen – und auch darüber hinaus jeden noch so mikroskopischen Rest an Urbanität durch Glasbauten, Flagshipstores und provinzielle Großereignisse wie Harley Days und Schlagermove der Lächerlichkeit preiszugeben. Welche bessere Kulisse kann es also für Jan Offs schriftstellerisches Schaffen geben, in dem gescheiterte Existenzen, die in der verwalteten Welt keinen Platz haben, tagtäglich, ob sie es wollen oder nicht, gegen die zu Anpassung und Funktionalität erziehenden gesellschaftlichen Verhältnissen anrennen?
Die Welt mag den Zombies, Spießern und Idioten gehören: Solange Jan Off in seinem Werk die Ausgespuckten, Ausgeschlossenen und Außenseiter dieser Gesellschaft zum Subjekt macht, bleibt die Hoffnung auf eine andere Welt jenseits der organisierten Traurigkeit des Kapitalismus lebendig, und sei es nur mit Pflegestufe 13.
Bei der Lesung am 20. Januar wird er aktuelles Material zum Besten geben, darunter einige bislang unveröffentlichte Texte. Es darf sich also auf die ein oder andere Weltpremiere gefreut werden.
In diesem Sinne:
»Gentlemen, der Lauf der Dinge folgt eigenen unergründlichen Gesetzen Wenn ein neuer Gedanke auf Erden aufscheint oder eine für die Menschheit notwendige große Idee geboren wird – woher kommt diese dann? Weder von Polizeileuten oder prozessierenden Anwälten, weder von Richtern noch von Staatsanwälten oder Ärzten; von all denen sicher nicht. Sie kommt von den Verachteten und Verstoßenen; vielleicht aus Gefängniszellen und Haftanstalten. Von Menschen jedenfalls, die es gewagt haben, rebellisch zu sein und sich ihre eigenen Gedanken zu machen – und so war ihr Schicksal das Schicksal von Rebellen. Die heutige Generation schaufelt ihnen Gräber, während die kommende Generation Denkmäler für sie errichten wird; es gibt keine Ausnahme.«
(Clarence Darrow, 1920)
»Der ›Ankündiger‹ gefällt mir sehr; er ist sachlich und bescheiden, korrespondiert also aufs Trefflichste mit meinen Werken.«
(Jan Off, Januar 2016)
Veranstaltung bei Facebook: https://www.facebook.com/events/904629172966969/
Eine Lesung im Rahmen von KANTINE3000, das monatliche Kulturgedöns mit Barabend in der Roten Flora – wie stets mit stilvollen Getränken (Champagner), Essbarem (Kuchen, Muffins, Canapés) und Bier (Bier).